Es muss nicht immer ein Rock sein

Joselle auf dem Weg der Besserung:

Es muss nicht immer ein Rock sein! So lautet die Überschrift. Oder das unfreiwillige Outing vor den Nachbarn, oder es hat mich jemand gegrüßt den ich kenne, oder wie ich die Tagescreme in der Apotheke geschenkt bekam.

Doch der Reihe nach.

Es muss nicht immer Rock sein, und ich finde das schönste am Krank sein, ist doch der Weg der Besserung, so dass Joselle ab heute bis zum Wochenende präsent sein sollte. So lange sollte ich eigentlich noch im Bett liegen. Aber wie gesagt. Das Beste am Krank sein, ist der Weg der Besserung!

Heute fühle ich mich gut, und so beschloss ich mich nach dem Aufstehen zu rasieren, das Frühstück zu machen (meine Liebste muss heute früh zur Arbeit), mit meiner liebsten zu frühstücken und Joselle zum Leben erwecken.

Ich wollte mal um die Augen herum Grautöne verwenden, anstatt der braunen. Nach vier Anläufen bin ich eigentlich ganz zufrieden mit meinem Aussehen und es ging an die Auswahl der Klamotten. In viele Röcke passe ich gar nicht mehr herein (nach 12 Kilo weniger), aber eine Hose mit Gürtel und einem Pullover geht doch auch. Passende Wäsche, eine Strumpfhose muss es dennoch sein. Angezogen und passende Stiefel dazu herausgesucht. O.k. die braunen gehen doch.

Wo wollte ich noch gleich hin. Richtig, Getränke im Nachbarort einkaufen. Jacke, Schaal angezogen und die Tasche gepackt. Leergut mitgenommen und ab ins Auto. Losgefahren und so ergab es sich, dass ich auf dem Weg in den Nachbarort einer Freundin begegnete, die natürlich unser Auto kennt und von weitem schon gewunken hat. Kurz aufgeblinkt und zurück gewunken ohne darüber nachzudenken, wen oder was sie nun gesehen / erkannt hat.

Im Getränkehandel angekommen – Leergut abgegeben und die Getränke auf den Wagen geladen. Völlig unspektakulär verlief der Bezahlvorgang, auch wenn die Kassiererin mich genauer betrachtete (wir gehen dort jede Woche unsere Getränke kaufen), machte ich mir keine weiteren Gedanken und so verließ ich nach dem bezahlen das Geschäft. Ich benötige aber noch ein Nasenspray. Ab ins Einkaufszentrum. Wagen geparkt und in das Zentrum gestöckelt.

Brav in der Apotheke angestanden und gewartet bis ich dran war. Ich bestellte das Nasenspray bezahlte und die Verkäuferin sagte: „Warten Sie, da habe ich noch ein paar Pröbchen für sie“. Ich bedankte mich artig, war so stolz und steckte diese auch noch in die Handtasche.
Irgendwie verlief der Tag bis dahin super und ich fühlte mich nach Tagen wieder Pudel wohl.

So ab nach Hause, auf den Parkplatz gefahren und angefangen die Einkäufe in die Tasche zu verstauen. Ich griff nach der Tasche und einer der drei Kisten, schloss den Kofferraum (piep piep – ja unser Auto spricht mit uns) drehte mich, und mein Herz blieb beinahe stehen.
Gut es musste ja irgendwann so kommen, wenn Frau nicht nur im Dunkeln in Begleitung unterwegs sein will. Da steht die Nachbarin (kenne sie sehr gut, sind etwas älter) mit Ihrer Mutter und ich glaube deren Herz blieb ebenso beinahe stehen.
In den Augen stand: Was machen Sie mit dem Auto von der Familie W….., bis ich Ihr näher kam (sie sind auf der Treppe stehen geblieben) und ich sagte: „Nicht erschrecken ich bin es, und heute als Frau.“
Warum verkleiden Sie sich? Weil es mir Spaß macht!
Ich hörte noch ein Gemurmel, konnte aber nicht verstehen, was sie gesagt hat. Ich ging meines Weges und auf dem Weg nach oben machte ich mir eigentlich nur Gedanken darüber, wie ich diesen Bericht nennen soll.

Leider habe ich es versäumt genauer auf mich einzugehen. Denn für diesen „Notfall“ habe ich ja auch die Flyer vom Gendertreff in der Tasche. Wahrscheinlich war ich selbst von der Situation überrascht. So viele Ereignisse in knapp 90 Minuten.
Ich gebe den Nachbarn nun ein bisschen Zeit und werde mich heute Abend oder morgen früh mal bei denen melden. Ist auch nicht so ungewöhnlich, das machen wir eh mehrere Tage in der Woche (Beiratsgespräche fürs Haus).
Nun, wie oben beschrieben musste es ja irgendwann mal soweit sein. Auch wenn wir (meine Frau und ich) diesen Tag selbst bestimmen wollten, so ist es nun auch nicht schlimm. Jenen Personen denen ich bisher im Hausflur begegnet bin, haben mehrfach hingeschaut, aber nie etwas gesagt. Ich hätte aber denen auch ganz höflich erklärt um was es sich handelt.

Was für ein Beginn in den Tag….

Joselle


Update:

Ava, vielen Dank für den Link. Hier im Forum gibt es so viel zu lesen / erlernen. Jeden Tag kommt was Neues für mich hinzu.

Nun,
ich habe mir dann ein Herz gefasst und kurz bei den Nachbarn angerufen und gefragt, ob sie eine Erklärung möchten. Sie haben ja gesagt, und so bin ich drei Etagen tiefer zu den Nachbarn gegangen. Der Ehemann wusste noch nichts von unserer Begegnung und hätte ich mich nicht durch meine Stimmer verraten – er wäre wohl sehr viel später darauf gekommen 😉 .
Ich habe Ihnen meinen „Werdegang“ bis zum Outing letztes Jahr bei meiner Frau erzählt und sie haben wissbegierig zugehört und die ein oder andere Frage gestellt (OP, wie gehen Sie Montag arbeiten, usw.).
Für Sie bin ich der selbe Mensch, und sie fanden mein Aussehen ansprechend.
Dann haben wir uns noch ein wenig über das Haus und die anstehenden Renovierungen ausgetauscht und ich habe denen den Flyer überlassen.

Nun brauche ich einen neuen Flyer für die Handtasche. 😉

Liebe Grüße wünscht

Joselle

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