Wir sind überall

In ihrem letzten Beitrag berichtete Marina leider über ein gänzlich unerfreuliches Erlebnis in Zusammenhang mit ihrer Transgendereigenschaft. Zum Glück überwiegen offenbar meist die positiven Erfahrungen. Vielen Dank an Marina für diesen Bericht.

Ein kurzer Bericht darüber, wie selbstverständlich es sein kann Transgender zu sein.
So tolle Erlebnisse mit Nachbarn, Bekannten und Verwandten habe ich nicht, aus dem einfachen Grund, mich kennt hier so gut wie niemand. Dafür habe ich meine Erlebnisse an anderer Stelle.

Ich bin im Außendienst tätig und muss sehr viel in Hotels übernachten. Schon seit Monaten checke ich in die Hotels en femme ein, zumindest wenn möglich. In meinen Stammhotels kennt man mich auch schon „so“.

In Vorbereitung des Gendertreff Leverkusen am 06.11.2010 hatte ich mir in Opladen ein Hotelzimmer gebucht. Ich wollte in der Nacht nicht mehr fahren müssen, denn „zufällig“ hatte ich in der Nacht zum 07.11. auch noch meinen 40. Geburtstag

Aufgrund der bisher nur positiven Erfahrungen mit den Hotels war es für mich klar, dass ich gleich en femme einchecke. Das Hotel, eigentlich eine Pension Garni, ist ein bisschen kleiner und familiärer, mit nur 5 Zimmern. Angst machte mir das trotzdem nicht. Als ich also fertig und tageslichttauglich war, wenn auch noch nicht im Partydress, fuhr ich los.

Zum Hotel, geklingelt, der Wirt machte auf. „Guten Abend, ich habe hier bei ihnen ein Zimmer reserviert“. „Auf welchen Namen?“ „XYZ“ (soviel inkognito muss sein).

Ein ganz kurzer, erstaunter Blick, dann ein Lächeln „Willkommen in unserem Haus“.
Angemeldet hatte ich mich ja mit meinen legalen Namen. Dann wurde ich zu meinem Zimmer geführt und mir die Ausstattung des Hotels und des Zimmers kurz erklärt.

Dann meinte der Wirt zu mir, er hätte regelmäßig einen Gast aus den Niederlanden, Provinz Limburg. Sie (der Wirt sagte immer „er“) kommt so alle 6-8 Wochen, macht sich im Zimmer zurecht und geht dann nach Köln. Wohin genau wusste der Wirt aber nicht.

Tja, ich erzählte ihm, dass ich heute Abend zu einem Transgendertreffen in Opladen im Brauhaus am Marktplatz gehe, auf dem wir „zufällig“ auch noch meinen bevorstehenden 40. Geburtstag feiern werden. Er fand es toll, dass ich das so offen auslebe und mich nicht verstecke.

Natürlich bekam er erst einmal einen Flyer in die Hand gedrückt. Dann ging ich auf mein Zimmer, um mich umzuziehen und das Make-up etwas aufzufrischen. Als es dann so ca. 19:00 Uhr war, kam ich fertig umgestylt wieder aus dem Zimmer. Ich hatte noch etwas Zeit und wollte mich bis zu meiner Abholung etwas in die Lobby setzen. Der Wirt kam wieder zu mir und wieder fingen wir an, uns zu unterhalten.

Ich bekam ein Kompliment für meinen Abend-Overall und wie gut ich geschminkt bin. Ich räumte mal wieder mit dem alten Vorurteil auf, dass alle Transgender homosexuell seien. Das sah der Wirt auch ein, denn jener regelmäßige holländische Gast ist verheiratet und hat Kinder, die nichts vom „Hobby“ des Vaters wissen sollen.

Wir redeten und redeten. Ich zeigte auch ein paar Fotos von mir. Und ehe ich mich versah, war es schon nach 20:00 Uhr, dabei sollte ich doch 19:45 abgeholt werden. Tja Sabine und Sabrina warteten auch schon eine Weile auf mich. Hätten ja auch mal klingeln können…

Der Brauhaustreff verlief eigentlich so wie immer. Um Mitternacht ging das Treffen nahtlos in meine Geburtstagsparty über. Wir stießen mit Sekt an, und ich bekam eine Geburtstagstorte, aber mit nur 2 Kerzen „4“ und „0“. Wir feierten noch bis 02:30 Uhr. Es war einfach nur schön. Um 03:00 Uhr war ich wieder im Hotel.

Am nächsten Morgen musste ich leider als „er“ zum Frühstück erscheinen, weil ich noch zur Familie weiter fahren musste. Auch hier kam ich wieder mit dem Wirt ins Gespräch. Beim Bezahlen des Zimmers fragte ich, ob ich noch ein paar Flyer da lassen kann.

Selbstverständlich. Vielleicht könnte er auch seinem Gast aus den Niederlanden mal so einen Flyer in die Hand drücken. Das Brauhaus Opladen liegt schließlich näher als Köln. 😉

Also wer weiß? Vielleicht haben wir bald mal einen Gast aus den Niederlanden bei einem der nächsten Brauhaustreffen.

So ist das halt mit der Öffentlichkeitsarbeit, steter Tropfen höhlt den Stein. Je mehr wir über uns seriös informieren können umso normaler wird es werden, öffentlich Transgender zu sein. Wobei ich immer wieder selbst erstaunt bin, wie tolerant die Gesellschaft geworden ist, und nicht nur ich wundere mich immer wieder.

Marina

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