Petra-Katharina`s Leben als Frau

Autorin: Petra-Katharina

Ich lebe nun seit ca. 3 Jahren als Frau (ca. 1,5 Jahre davon schon „staatlich anerkannt“), nachdem ich davor ca. ein halbes Jahr in einem quasi-öffentlichem Switching-Prozess war. Mir war immer wichtig, die positiven Beziehungen aus meinem zuvorigen Mann-Sein in meine neue Erscheinungsform rüber zu retten und das ist mir wohl weitestgehend gelungen: Ich fahre immer noch in der gleichen Runde Motorrad und mache dabei nicht selten die Leitgemse auf entsprechenden Touren. Bedingt durch meinen „halben“ Ortswechsel nach Süddeutschland sind sogar einige neue Mitfahrer dazugekommen. Wahrscheinlich kennen zumindest viele davon meine Historie, aber es wird praktisch nie thematisiert, weil es nicht zum Gruppenthema (Motoradfahren) gehört. Ich habe jedoch nicht den Eindruck, dass sie irgendeine Rolle spielt. Entsprechendes kann ich von meinen Musikerbeziehungen berichten: Auch da spiele ich immer noch mit den gleichen Leuten, wobei auch dort eine gewisse Fluktuation zu verzeichnen ist, die aber nichts mit meiner Person zu tun hat.

Ich habe auch als FH-Lehrbeauftragte und damit als Person des zumindest halb-öffentlichen Lebens in dem Semester den Schritt mit einer kurzen knappen Erläuterung (ca. 2-3 Sätze) vollzogen und ansonsten einfach den Job inhaltlich wie gewohnt weitergemacht – ebenfalls ohne besondere Vorkommnisse. Meine lukrativste Einnahmequelle (bei einem süddeutschen Unternehmen, das ich ein- bis drei-wochenweise im Schnitt halbtags bediene) habe ich seinerzeit genau in meiner Umstellungszeit gefunden, wobei ich dort immer ausschließlich im „Female Mode“ aufgetreten bin. Wenn ich mich da seinerzeit im „Male Mode“ beworben hätte, wäre ich wahrscheinlich zu langweilig/konventionell rübergekommen und denke, die Verbindung nicht hätte aufbauen zu können. Natürlich habe ich mich seinerzeit mit allen Unterlagen in „männlich“ beworben, denn es ist ein absolutes Unding, bei zahlreichen Veröffentlichungen (Bereich Physik, Verfahrenstechnik, teils international) irgendetwas umschreiben lassen zu wollen.

Im privaten Bereich lebe ich nach wie vor mit meiner Familie (Frau, Sohn; relativ engen Besuchskontakt zu Schwiegereltern, weil in gleicher Stadt), wobei man allerdings fairerweise sagen muss, dass die Beziehung platonisch geworden ist, weil meine Frau halt nicht lesbisch ist. Nach anfänglichen Irritationen gerade im engeren Umfeld (es stand halt das männliche Bild von über 20 Jahren im Raum, das die Meinigen von mir hatten) und nicht zuletzt der Generation meiner Schwiegereltern geschuldet (beide jenseits der 85 Jahre) hat sich die Sache innerhalb ca. eines Jahres deutlich entspannt. Wobei ein Teil dieser Normalität letzte Woche ihren traurigen Höhepunkt gefunden hat, bei dem wir meinen Schwiegervater (mit 89) beerdigen mussten.

Auch Sohnemann (zum Zeitpunkt des öffentlichen Outings ca. 15 Jahre alt und ziemlich konservativ eingestellt) hatte zunächst mal ziemliche Schwierigkeiten, obwohl mir in den Jahren zuvor immer wichtig war, dass er mich zumindest gelegentlich als Petra gesehen hat. Er nennt mich weiterhin Papa und hat schon noch gewisse Schwierigkeiten, mich fremden Dritten gegenüber vorzustellen. Aber das billige ich ihm zu. Auf der anderen Seite unternehme ich mit ihm alleine oder auch in anderen Gruppen durchaus auch einige Aktionen im öffentlichen Raum (Fahrradtouren, Eis essen gehen, Urlaubstouren auch mit Anwesenheit seiner Schulkameraden, Hinbringen zu Sport-/Musik-Terminen mit Einladen von Kumpels …), so dass er mittlerweile wieder ganz gut mit mir klarkommt.

Was hat mir geholfen?

Ich denke, ein zeitweises Separieren hat dabei schon geholfen: Ich hatte mir am Familienwohnort vor der „Umstellung“ für zwei Monate eine Studentenbude gemietet und bin dann nur wenige Male zuhause vorbeigekommen. Mir hat gerade während der Zeit des „Umbruchs“ geholfen, in neuen Kontexten als Frau aufzutreten, ohne immer die alten Beziehungskisten dabei im Kopf haben zu müssen. Andersrum aber genauso wichtig: Das Mitnehmen der alten Kontakte! Dabei habe ich schon so einige Male eine Faust in der Tasche gemacht, wenn ich mal wieder – erkennbar ohne böse Hintergedanken – missgegendert wurde. Aber das legt sich mit der Zeit! Und bitte nicht immer alles auf die Goldwaage legen.

Ich war im Vorfeld des Outings in der glücklichen Lage, meine Laser-Epi problemlos aus der eigenen Tasche bezahlen zu können. Und bei der dann folgenden tatsächlichen Umstellung war die Abwesenheit eines Bartschattens eine ganz wesentliche Sache, was das Selbstbild und die Wahrnehmung im Spiegel anging. Ich denke, das überträgt sich unmittelbar auf die gelebte Interaktion mit den Anderen! Das gleiche gilt für die vorüber gehende Nutzung einer Perücke, die klar besser ausgesehen hat als die paar Spierzen, die jetzt wieder unbedeckt meinen Kopf „zieren“. Aber auch da musste erst mal das Selbstbewusstsein in der neuen Rolle wachsen, bevor ich mich getraut habe.

Nach vielen Jahren des Selbstzweifels und des Zweifels, wie ein Outing im Umfeld ankommen würde, glaube ich, mit ca. 55 einen späten, aber glücklichen Zeitpunkt erwischt zu haben. Bei einem Outing 10-20 Jahre zuvor wäre wahrscheinlich vieles nicht oder daneben gegangen und vieles, was mir heute wichtig ist (Familie), wäre wohl nie passiert.

 

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