Menschen hautnah – Mädchen oder Junge?

WDR Fernsehen, Do., 27.07.2017, 22:10 Uhr – 22:55 Uhr

Menschen hautnah
Mädchen oder Junge?

Aufwachsen als Transgender-Kind

Ein Film von Norbert Lübbers

Sophia ist acht Jahre alt. Sie sieht aus wie ein Mädchen, sie fühlt sich als Mädchen. Geboren
aber wurde Sophia als Philipp. Doch mit gerade mal 4 Jahren beschließt sie, kein Junge mehr
zu sein. Sie will nur noch Röcke und Kleider tragen, lässt sich die Haare lang wachsen und
nennt sich wie die Prinzessin aus ihrer Lieblings-Fernsehserie. Am Anfang denken ihre Eltern,
das sei vielleicht nur eine Phase. Doch Sophia scheint genau zu wissen, wer sie ist. Sie sagt
nicht, dass sie ein Mädchen sein möchte. Sie sagt, dass sie ein Mädchen ist. Wenn sie mit
Philipp angesprochen wird, reagiert sie aggressiv. Schließlich überzeugt sie ihre Eltern und ihre
drei Brüder, sie als Tochter und Schwester zu akzeptieren.

Heike hatte immer die Tochter, die sie sich gewünscht hat. Seit vier Jahren heißt ihre Tochter
nun Fynn. Der Transjunge hatte mit 14 sein Coming-out. Die Mutter sagt, es sei nicht leicht
gewesen, sich von der Tochter zu verabschieden und einen Sohn zu bekommen. Heute geht es
ihr vor allem darum, dass Fynn die Unterstützung erhält, die er braucht. Er hat gerade sein
Abitur gemacht und hat jetzt nur einen Wunsch: eine Operation, um sich die Brüste abnehmen
zu lassen. Aber wieviel Veränderung muss wirklich sein, um ein glückliches Leben als Trans-
Mensch führen zu können?

Saskia Fahrenkrug leitet die Spezialambulanz am UKE in Hamburg. Mit ihrem Team betreut die
Psychotherapeutin fast 500 transidente Kinder und Jugendliche. Nachdem sie die Diagnose zur
sexuellen Identität gestellt hat, übernimmt der Hormonspezialist Achim Wüsthof die
medizinischen Maßnahmen. Gerade mit dem Einsetzen der Pubertät, wenn sich Brüste oder
Barthaare entwickeln, beobachtet der Endokrinologe bei vielen Patienten Verzweiflung und
Depressionen. Manche haben sogar Suizidversuche hinter sich. Eine Hormonbehandlung zu
unterlassen und abzuwarten, sei meist keine Option, sagt Wüsthof. Denn die als falsch
empfundene Pubertät würde den Leidensdruck deutlich verstärken.

Auch der 14-jährige Alexander und die 15-jährige Klara sind bei ihm in Behandlung. Beide
haben vor wenigen Monaten mit der gegengeschlechtlichen Hormonbehandlung begonnen.
Durch das Testosteron verändert sich Alexander äußerlich langsam zum Mann. Seine Stimme
wird tiefer, die Schultern breiter und die Körperbehaarung nimmt zu. Bei Klara sorgen die
Östrogene dafür, dass ihre Formen weicher werden und langsam das Brustwachstum einsetzt.
Beide Teenager haben das Gefühl, sich nicht mehr verstecken zu müssen und endlich auch
körperlich das zu erleben, was sie fühlen.

Die Jugendlichen selbst stehen im Zentrum einer kontroversen Diskussion: Können sie wirklich
schon eine dauerhafte Aussage über ihre Geschlechtsidentität treffen? Ist Transidentität bei
Kindern und Jugendlichen eine Laune der Natur oder nur eine Phase? Und wie wird sich das
Kind weiterentwickeln?

Sophia, Klara, Alexander und Fynn: zwei Transmädchen und zwei Transjungen zwischen acht
und 19 Jahren. Menschen hautnah begleitet sie und ihre Familien auf ihrem Weg zu einer
selbstbestimmten Identität.

Redaktion: Ulrike Schweitzer

Quelle: Presseinformation des WDR vom 25.07.2017

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