In kleinen Schritten, mein Weg zum Ich: 6-2011

Weitere Termine bei der Psychotherapeutin folgten und heute den 7.6.2011 hatte ich meinen fünften Termin, der letzte vor dem ersten Besuch beim Endokrinologen. Ich bin positiv angespannt und freue mich auf das was da kommt. Hoffentlich bekomme ich grünes Licht für die Einnahme von Hormonen.

Ihr glaubt gar nicht wie dankbar ich meiner Frau und meiner Familie bin, dass sie das nicht nur mittragen und den Weg mitgehen, sondern auch zu mir stehen. Es ist so wichtig, auch nach den vielen Jahren des Verdrängens, sein Umfeld und seine Seele mit zu nehmen. Es kann nicht einfach nur ein Schalter umgestellt werden, sondern es ist ein komplizierter und gefühlter langer Weg und es gibt nichts Schlimmeres als diesen schweren Weg alleine gehen zu müssen. Viele Familien brechen wegen der Transsexualität auseinander, aber ich glaube, dass es auch viel an der transidenten Person liegt, die dann plötzlich alles sofort haben und machen will. Die Hormone verändern uns und zwar nicht nur körperlich. Wir machen mit der Hormoneinnahme eine kurze heftige Pubertät durch und auch dazu sollte man sich Zeit lassen, will sagen, dass die Hormondosis nicht allzu hoch und deftig ausfallen sollte. Dafür unbedingt das Gespräch mit dem behandelnden Arzt suchen.
Überhaupt finde ich es wichtig, Hormone nur mit ärztlichem Rat und Dosierung einzunehmen und sich professionelle Hilfe in Form eines Therapeuten zu suchen. Der/die  Therapeut/in begleitet und stärkt die transidente Person – Mir gibt es ein sicheres Gefühl.

Damit habe ich nun gar nicht gerechnet. Meine Therapeutin ist leider doch nicht spezialisiert auf das Thema Transsexualität und so hat sie mich in einem Brief und einem langen Telefonat in Kenntnis gesetzt, dass sie mich nicht weiter begleiten kann. Sie hat sich mit Gutachtern in Verbindung gesetzt und herausgefunden, dass es sich um ein sehr komplexes Thema handelt. Auch vermutet sie, dass die Krankenkasse sie nicht akzeptiert, weil sie keine kassenärztliche Zulassung hat. Die Krankenkassen sind da sehr sensibel, weil hohe Kosten auf sie zukommen. Ich ärgere mich natürlich über die zwei nutzlos vergangenen Monate und fange jetzt wieder von vorne an. Mal sehen was es am Dienstag beim Endokrinologen gibt und dann eine neue Therapeutin suchen.

Der Wecker klingelt und endlich, es ist Di, der 21.6.2011. Bis zum ersten Besuch beim Endokrinologen sind es nur noch wenige Stunden. Mal überlegen was ich anziehe…

Ich habe mich für einen Jeansrock mit Shirt entschieden und nach dem ich mich fertig gemacht hatte, fahre ich mit dem Auto nach Düsseldorf. Zugegeben ich war ein wenig angespannt. Schnell fand ich einen kostenlosen Parkplatz und ging in die Praxis. Einige Formulare galt es auszufüllen und nach ca. einer halben Stunde Wartezeit, wurde ich aufgerufen – allerdings mit „Herr“. Etwas über eine halbe Stunde verbrachte ich mit dem Endokrinologen im Besprechungs- und Untersuchungszimmer und fuhr mit einem Rezept wieder nach Hause. Ich hatte meine ersten 30 Hormontabletten. Es ist ein wenig so als wenn man Sauerstoff verschrieben bekommt, nach den vielen Jahren unter Wasser.

22. Juni, ich nehme meine erste Hormontablette (2mg) ein. Mit der Therapeutin habe ich dann doch noch zwei Telefonate geführt, mit dem Ergebnis, dass sie vielleicht doch noch ihren Bericht an die Krankenkasse schickt und wenn diese akzeptiert, sie mich dann doch weiter begleitet. Jetzt ist sie erst einmal in Urlaub gefahren und ich habe in der Zwischenzeit einen Termin bei einem Neurologen und einer Gynäkologin gemacht. Der Neurologe wird vermutlich ein EEG machen, um eine organische Hirnerkrankung auszuschließen und die Gynäkologin wird eine Chromosomenanalyse durchführen.
Dann habe ich soweit alles abgecheckt und kann zur Personenstandsänderung die Befunde mit zu den Gutachtern nehmen. Das kann ja nicht verkehrt sein und ebnet ein wenig den Weg durch die „Instanzen“.
Dem Endokrinologen habe ich noch eine Kopie meines dgti-Zusatzausweises per eMail gesendet und bei der Antwort wurde ich mit „Frau“ angesprochen. Außerdem kann ich in zwei Wochen, wenn es keine Nebenwirkungen gibt, mein neues Rezept abholen.

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